Die Haube unter dem Filzhut
Franz lächelt schüchtern und ehrlich aus seiner kleinen mit Töpfen, Pfannen und Kochwerkzeug bestückten Küche. Voller Gefühl streicht er den Saucenpinsel über das zarte Lammfleisch. Keine Fuge des Fleisches entgeht ihm; Geschmack verlangt nach Vollkommenheit und Disziplin. Der Duft ist Lust erregend. Das Wasser im Gaumen fließt schon längst. Von außen ist alles unscheinbar, schlicht; innen ist es urig, eng, bescheiden. Bescheiden, wie der smarte Jungkoch in seiner Lederhose und seinem Filzhut.
Den mit Lammfleisch "gemalten" Teller reicht er seiner Freundin, die ihm in der Bewirtung seines winzigen "Almrestaurants" hilft. Franz kocht nicht, er haucht den Rohstoffen, die allesamt aus seiner nächsten Umgebung kommen, Leben ein. Er schafft Kunstwerke mit Unikatswert. Teller wie naturalistische Gemälde mit einem Hauch von Expressionismus. "Altlasten aus meiner Zeit als Kunstmaler", sagt der 29-jährige Jungkoch verschmitzt, ohne die Augen vom Topf zu lassen, in dem er gerade seinen Zirmpesto abschmeckt. Er tröpfelt ihn liebevoll auf den Hirschrücken. Fluffig sieht es aus. Neidvoll blicken wir auf den Hirsch, der von Franzens Nachbar erlegt wurde.
Wenn Franz gerade nicht kocht, wandert er durch die Landschaft der Hochalm, die für ihn geschaffen zu sein scheint. Dann sammelt er die jungen Schösslinge der Zirbelkiefer und alles Essbare, Duftende, Aromatische. Was er nicht findet, zieht er sich selbst in seinem kleinen Kräutergarten heran. Das Fleisch kommt aus dem eigenen Stall. Franz ist verliebt in seine Lebens-Mittel. Durch sie lebt und erlebt er.
"Ich koche, also bin ich." Nie wurde ein kulinarischer Grundsatz in derart reiner Form zur Philosophie. "Ich brauche keinen Lebenslauf. Ich bin Ich", offenbart Franz selbstsicher, aber zurückhaltend. "Mein Leben erfüllt sich in meinen Kompositionen". Auf die Frage nach Vorbildern meint er: "Wenn ich mich nach anderen richten muss, kann ich meine Kreativität nicht leben!" Er drückt es bestimmt aus, ohne hochnäsig zu sein. Ganz im Gegenteil. Er habe vor jedem großen Respekt, für den der Teller die Welt bedeutet. Individualität schmort im Kochtopf. Die Lust, den Deckel zu heben und in die leuchtenden Augen der Menschen zu sehen, wenn sie Franzens Speisen genießen. Dabei wollte er überhaupt nicht kochen. Aber richtige Orientierung fand der damals aufsässige Teenager auch in der Berufsberatung nicht. Nach seiner kurzen Sturm-und-Drang-Zeit als Kunstmaler wurde ihm klar: Kochen ist meine Berufung. Er folgte ihr. Von seinem Vater bekam er die Hütte, die er selbst renovierte. Angefangen habe er mit drei Tischen, ‹bernachtung im Heu und Frühstück auf der Holzbank vor der Hütte.
"Die Leute sind ganz allein gekommen. Ich bin ja in der Küche", verlautbart er noch schnell, bevor er in den Kräutergarten rennt, um eine leuchtende Melissenblüte für die gebratene Entenbrust zu holen. Das herzhaft Südtirolerische liebt er mehr als alles andere. Das gilt nicht nur für die Ereignisse im Kochtopf. Seine Lehr- und Wanderjahre holten ihn auf den Boden zurück. Froh sei er darüber, flüstert er uns zu, während er die Lindenblütensuppe mit Wildtauben und Schlüsselblumenhonig zubereitet; er habe gelernt demütig zu sein und Respekt zu haben. Der Haubenkoch mit Filzhut vereint die Weitsicht und Toleranz eines Weltbürgers mit den Werten eines unverfälschten Naturburschen. Er verzaubert die Feinschmecker auf der Alm. Und bei seiner Liebe zur geschmackvollen, dekorativen Einzelheit fragt man sich, wie er es schafft, aus der Miniküche seiner Almhütte die vielen sehnsüchtig wartenden Lustmäuler zu befriedigen und immer die unerschütterliche Gelassenheit zu bewahren. "Wer zu uns kommt, sollte keine Zeit mitnehmen. Wir haben hier die unsere. Die geben wir gerne."
Auf der Gostner Schwaige wird Gourmetküche auf höchstem Niveau im doppelten Sinne zelebriert. Beweise dafür gibt es genug; lebende Persönlichkeiten von Rang und Namen, die Franz unter vorgehaltener Hand als Geheimtipp weitergeben, Randbemerkungen im Gästebuch: "Franz, der Magier der Küche hat uns verzaubert mit seinen Götterspeisen." Verzaubert hat er auch die Jury des diesjährigen Godio-Preises. Er ist ein würdiger Nachfolger Godios und Vollender eines Paradigmenwechsels im Genussland Südtirol.